Donnerstag, 5. Juli 2012

Der Herzog, der Prinz und das Meer (Day Eight)

Schon eine Woche in England. Es steht wieder Bettenwechsel an und damit eine recht lange Autofahrt, von Wherwell in Wiltshire nach Offham - bei Maidstone - in Kent. Wir versüßten uns die Tour mit zwei Besichtigungsstops.

Erster Halt war Arundel Castle, Sitz des Herzogs von Norfolk, der als höchstrangiger Adliger Englands - außerhalb des Königshauses - bei zeremoniellen Angelegenheiten eine wichtige Rolle spielt. Er organisiert zum Beispiel die jährliche Parlamentseröffnung durch die Queen. Das wäre für sich noch nicht so interessant, wenn die Herzöge von Norfolk nicht seit über 500 Jahren derartige Aufgaben hätten und deshalb ein Privatarchiv zusammengetragen haben, um das so manche Staatsbibliothek sie beneiden könnte.

Die Burg bietet eine grandiose Aussicht über die Sussex Downs und ist außerdem architektonisch interessant: die Anfänge gehen zurück auf das 11. Jahrhundert, aber der größte Teil der Burg wurde im späten 19. Jahrhundert historisierend wieder aufgebaut. 



Der Park ist - der Gesamtanlage angemessen - riesig und hat mit ein paar Überraschungen aufzuwarten. Neben der herzoglichen Privatkapelle wachsen in einer geschützten Ecke Palmen (!), eine formale Gartenanlage geht fast ansatzlos in einen Schnittblumen- und den Küchengarten über. Hier fanden wir in einer Ecke auch diesen ausgesucht hübschen - ja was - Gartenschuppen? Jagdhütte? Teehaus? Jedenfalls ein winziges Häuschen, dessen Säulenkapitelle und Dachverzierungen aus lauter Elchgeweihen bestanden. Das ganze hatte einen sehr verwitterten Charme - diese Elchherde hat sicher schon vor über 100 Jahren dran glauben müssen.


Nach Arundel ging es nach Brighton. Nach einer ganzen Woche in England wollten wir uns doch mal mit eigenen Augen überzeugen, dass wir auf der Insel sind, und das Meer sehen. Dafür hatten wir uns DAS Seebad überhaupt ausgesucht, die Stadt, die den Begriff "Seebad" wohl überhaupt erst geprägt hat. Zu verdanken ist das dem späteren Georg IV., der Anfang des 19. Jh. seine Zeit - bevor er König wurde - gerne in Brighton verbrachte und den berühmten Royal Pavilion erbauen ließ, der eine wunderbar wilde Mischung aus indischer, arabischer und Zuckerbäckerarchitektur bietet.


Inzwischen ist Brighton ein wenig in die Jahre gekommen, Von weitem sieht die Promenade schick aus, je näher man kommt, desto schäbiger wird die Eleganz. Unmittelbar am Strand herrscht aber eine Menge Leben mit Künstlern aller Art: Feuerschlucker, Maler, Akrobaten, dazu fliegende Händler mit allem möglichen Schnickschnack, Cafès, Kneipen, Souvenirläden, winzige Kunstgalerien und natürlich der Brighton Pier, in traditioneller britischer "Seaside Town"-Manier mit Automatenspielhallen zugebaut. Man muss es mal gesehen haben, aber nach einer Viertelstunde  Kakophonie aus Automatengeklingel und englischer Schlagermusik aus übersteuerten Lautsprechern hatten wir genug.


Wir haben uns lieber ein großes (ein richtig großes) Soft-Eis gekauft und sind ein Stück den Strand entlang gegangen, um einen echten englischen Sommertag zu genießen. Sonne, 17 Grad, kräftiger Wind. Eis und Seeluft waren auch eine gute Medizin gegen die Erkältung, die ich mir bei der Wasserwanderung im New Forest zugezogen hatte.



Fazit: aus organisatorischen und erkältungstechnischen Gründen ein eher ruhiger Urlaubstag. Stress hatte nur Herr Dinktoc, der stundenlang Auto fahren musste (in England setze ich mich hinter kein Steuer, das innere Umschalten auf Linksverkehr funktioniert bei mir nicht, da lasse ich es lieber ganz bleiben). Ich bin dann immer fürs Kartenlesen zuständig, was an diesem Tag recht einfach war: "wir bleiben die nächsten 30 Meilen auf der A26, weck mich einfach, wenn wir in Tonbridge sind" und zack, war ich eingeschlafen (blöde Erkältung). Dass ich angeblich so geschnarcht haben soll, dass Herr Dinktoc erst glaubte, wir hätten einen Motorschaden, ist natürlich nur eine bösartige Verleumdung seitens des garstigen Gatten.

(Fortsetzung folgt.)

7 Kommentare:

  1. Ich war schon versucht den Ölstand am Mietwagen zu checken bei den seltsamen Fahrgeräuschen :-)

    Softeis, ich hätt jetzt gerne ein SoftEis ....
    Viel und Eisgekühlt bitte, und direkt hierher in die Bürosauna geliefert.

    SOFTEIS

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  2. Herr Dinktoc,
    Sie schreiben im Büro Blog?
    Was wird der Chef davon halten?
    (oder sind Sies gar selbst?)

    Frau Dinktoc,
    in Brighton war ich auch mal. Schüleraustausch nach Leeds in der siebten oder achten Klasse, über die meisten Details hat sich dankenswerterweise der Schleier des Vergessens gesenkt.
    Was sich mir eingegraben hat, ich vermute auf immer: in Brighton war Sturm.
    Nix Sonnenschein, sondern so das fieseste, was Wetter in England zu bieten hat und das auch noch ganz schön schnell.
    Ein bft. mehr, und die Fähre wär am nächsten Tag nicht wieder gen Kontinent gefahren.
    DAMALS, als der Tunnel noch eine ferne Utopie war.

    In die Yorkshire Dales würd ich meine Nase gern noch mal halten, aber nach Brighton zieht mich so gargargar nichts zurück.

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  3. Stürmisch war es bei uns auch, aber immerhin sonnig. Einer der wenigen Urlaubstage, an denen wir überhaupt blauen Himmel gesehen haben.

    Nordengland kenne ich noch gar nicht, das steht - inklusive Yorkshire Dales - für die nächste England-Reise auf dem Programm.

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  4. Liebe Frau Dinktoc,

    bei mir hat eine Christine einen Themse-Wanderweg beschwärmt... dachte, das könnte Sie interessieren... als zukünftige Anregung... :)

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    1. Sehr sogar, danke für den Hinweis. Vor einiger Zeit sah ich mal eine Reportage über die Themse "von der Quelle bis zur Mündung" mit Hausboot und Fahrrad und wäre am liebsten auch gleich gestartet.

      (Man sollte 6 Wochen im Jahr arbeiten müssen und den Rest Urlaub haben statt umgekehrt. Dann hätte man endlich Zeit für alle Wunschreisen!)

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  5. Wenn ich mir so die Qualitäten unserer gesammelten Vorfahren anschaue und dann den ein oder anderen Kommentar in meine Richtung untermische, so würde es mich doch sehr wundern, wenn ausgerechnet bei Dir das "Im Schlaf Geräusche machen"-Gen nicht vererbt worden wäre. Die Nuance "Stotter-Motor" ist allerdings neu. Bisher im Repertoire waren "Kettensägenmassaker", "Fällen der kanadischen Wälder" und "Große Nachtmusik".

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