Freitag, 27. Juni 2014

Kernsaaf un' Amerika

Zum Geburtstag schenkte mir der Gatte Karten für einen Ortsrundgang unter Führung des hiesigen Heimat- und Geschichtsvereins. Der Titel "Kernseife und Amerika" klang ja schon Neugier erregend. Was soll man sich darunter vorstellen?
 
 
Das Ganze entpuppte sich als Zeitreise mit Stationen in verschiedenen Jahren zwischen 1800 und 1914. Wahre Begebenheiten aus der Ortsgeschichte wurden - von Laiendarstellern - im Kostüm und mit echten Requisiten aus dem Heimatmuseumsfundus nachgespielt, das ganze natürlich im örtlichen Dialekt. Nach zwanzig Jahren in Hessen komme ich da recht gut mit; nur bei den "historischen" Schimpfworten, die heute keiner mehr verwendet, setzt es aus. (Schade, die würde man ja sogar gelegentlich mal anwenden wollen ...).
 
Da trafen sich die Wäscherinnen mit dem Leiterwägelchen mit Waschbrett, Eimern und Kernseife am Brunnen und ratschten über den neuesten Klatsch und die geplante Eisenbahnlinie (die dann doch nicht gebaut wurde); die Auswanderer nach Amerika traten ihre Reise an. Das war seinerzeit eine Zäsur im Ort: 151 Personen gingen mit einem Schlag weg.
 

An der Hochwassermarke von 1883 wurde ausgiebig besagtes Hochwasser bejammert, als von Januar 1883 bis weit in den Frühling hinein viele Häuser fast 2 m hoch im Wasser (bzw. sogar im Eis, als es kalt wurde!) standen. Man kann es sich heute kaum mehr vorstellen - viele Leute sind seinerzeit verhungert, weil natürlich auch alle Wintervorräte, die eingekellerten Kartoffeln und Rüben und das Getreide vom Hochwasser vernichtet waren. Ein Teil des Viehs war ertrunken, der Rest in höher gelegenen Ortsteilen provisorisch untergebracht. Die Kirche war damals Stall für 140 Kühe. 
 
Der Anflug von Melancholie verschwand, als an der nächsten Station, einer alten Hofreite, über die hohe Steuerlast räsoniert wurde und "das Volk" darüber diskutierte, es den Franzosen in Sachen Revolution gleichzutun. Der Erläuterung des Steuersystems um 1800 lauschten alle aufmerksam, bis die Hofkatze auftauchte, wohlwollend ihr Publikum zur Kenntnis nahm, hier und da sich huldvoll streicheln ließ, um sich dann auf den sonnengewärmten Platten auszubreiten.
 
 
An der letzten Station, am alten Rathaus, kam der Amtsdiener mit der Glocke, um die amtlichen Neuigkeiten bekanntzugeben. Die Gerichtsverhandlung anläßlich der Schlägerei auf der letzten Kirmes wurde angekündigt und vom versammelten "Volk" gewohnt bissig kommentiert.
 

Zum Ausklang gab es "Weck, Worscht un Bier" und ausgiebige Schwätzchen im Hof des Heimatmuseums. Drei Stunden waren vorbei wie nix, als wir wieder zu Hause waren. Ein schönes Geburtstagsgeschenk, danke!
 

Donnerstag, 12. Juni 2014

An der schönen blauen Donau

Dieses Internet ist, man glaubt es kaum, voll von Menschen. Und viele davon sind - entgegen der weit verbreiteten Meinung, dass das Internet böse sei - nette, normale, bestenfalls auf eine nett-normale Art bekloppte Leute. Da gibt es zum Beispiel jene, die für ihre Katzen (oder Hunde, Kaninchen, Plüscherdferkel ...) eigene Twitteraccounts einrichten, auf denen sie ihre Viecher dann miteinander kommunizieren lassen. Das kann unglaublich lustig sein; und weil Menschen nun mal so sind, wie sie sind, wollen sie irgendwann den Menschen hinter der Katze kennenlernen und verabreden Treffen im wahren Leben.
 
Das Ganze taufte man "Twitterkatzendositreffen" (TKDT) und nannte es eine Fortbildungsveranstaltung, vermutlich, um all den Katzen die mehrtägige Abwesenheit ihrer Dosenöffner zu erklären und von den Samtpfoten eine Reiseerlaubnis zu erhalten. Das diesjährige TKDT fand über Pfingsten in Wien statt und Herr Dinktoc und ich waren erstmals als gehorsame Sektretäre des @kater_leopold dabei.
 


 
 
 
Wien begrüßte uns mit Sonne satt. Das und die Fortbildungsmaßnahmen, wie beispielsweise Besuche im Tierpark, im Prater, in der Hofburg waren doch sehr anspruchsvoll und erschöpfend und so mussten ausreichend Pausen zur Regeneration eingelegt werden, was in diversen Kaffehäusern bei hausgemachter Limonade oder auch beim Heurigen in Ottakring vorzüglich gelang. Es wurde nur immer furchtbar spät dabei. Aber als leidgeprüfter Dosenöffner ist man es ja gewohnt, klaglos Opfer zu bringen.
 
Ein sehr wichtiger Tagesordnungpunkt war zweifellos der Besuch im Katzencafé (Café Neko), wo wir bei frisch gepresstem Orangensaft ein Spezialseminar zur Verbesserung unserer Pelzkraultechnik belegten. Katze Momo übernahm schnurrend und schoßliegend die Einweisung in die Praxis.
 
 
Das Schöne an diesen Internet-Treffen ist ja, dass man von vornherein wenigstens ein Gesprächsthema hat und sich nicht erst gegenseitig  mit manchmal etwas gequältem Smalltalk 'abtasten' muss. Sehr schnell führt der Weg zu allen möglichen anderen Themen und ruck-zuck hat man was über bis dato ungeahnte Sachverhalte gelernt.

Zum Beispiel weiß ich jetzt, wie man eine Hochgeschwindigkeits-Eisenbahn in der Wüste so baut, dass das Dehnen und Zusammenziehen der Gleise aufgrund der großen Temperaturschwankungen ausgeglichen werden kann; was es mit dem österreichischen Adelsaufhebungsgesetz von 1919 auf sich hat; und dass man - wie ein berühmtes Erdferkel es in Theorie und Praxis feststellte - (Zitat) "von grünem Veltliner auch blau werden kann".
In diesem Sinne: es waren wunderbare Tage in Wien (danke schön noch mal den Organisatoren: ihr habt euch eine Menge Mühe gemacht!), wir hatten viel Spaß mit netten Leuten und freuen uns jetzt schon auf das TKDT2015.