Freitag, 29. Juni 2012

Im Gasthaus zum Grünen Drachen

... oder so ähnlich.  Auf dem Rückweg von Portsmouth statteten wir in Southampton dem Pub "The Hobbit" einen Besuch ab. Dass eine solche Kneipe überhaupt existiert, wussten wir aus deutschen Zeitungen: vor ein paar Monaten nämlich war die Kneipe, die seit 20 Jahren so heißt und auch seit 20 Jahren Cocktails mit Namen wie "Gandalf" und "Frodo" verkauft, ins Visier der amerikanischen Filmfirma und Rechteinhaber an den Werken Tolkiens geraten. Das führte zu ungeahnter Popularität der Kneipe, Solidaritätsadressen prominenter Schauspieler inklusive mehrerer Hauptdarsteller der aktuellen "Hobbit"-Verfilmung, darunter Ian McKellen - Gandalf himself also! -  sowie dazu, dass wir den Pub auf unsere Besuchsliste für die England-Reise setzten.


Würde ich in Southampton wohnen, könnte das durchaus meine Stammkneipe werden. Eine gemütliche Höhle mit allerlei Reminiszenzen zu Tolkiens Büchern und Hobkobold-Bier aus dem Zapfhahn. Die Wirtin berichtete, seit dem Auftrieb mit der angeblichen Rechteverletzung hätte sie schon einige Gäste wie uns gehabt, die dadurch auf die Kneipe aufmerksam wurden und einfach mal vorbeikamen, um ein Bier zu trinken, sich den Laden anzusehen und über diese amerikanischen Anwälte aufzuregen.



Mittlerweile sieht die Wirtin die Sache wieder entspannt, durch das große Medienecho und die Kritik verunsichert, ist die Filmfirma zurückgerudert, und das Pub darf für eine nominelle Lizenzgebühr von, wenn ich mich richtig erinnere, 60 $ pro Jahr den Namen behalten. Man diskutiert wohl nur noch über einige Graffiti im Biergarten des Pub, die angeblich den Film-Orks zu ähnlich sehen. Über die zu vermutende charakterliche Ähnlichkeit zwischen gierigen Anwälten und Orks wurde nicht gesprochen, das hab ich nur bei mir gedacht.

(Fortsetzung folgt).

Donnerstag, 28. Juni 2012

In the Navy

Der siebte Urlaubstag stand im Zeichen der Seemacht England. Wir fuhren nach Portsmouth, zum Historic Dockyard mit seinem Marinemuseum und den berühmten historischen Schiffen. Als erstes fiel uns allerdings die HMS Illustrious ins Auge. Der Hafen der Royal Navy befindet sich nämlich unmittelbar neben dem historischen Hafen, und so konnten wir ein modernes Kriegsschiff aus nächster Nähe sehen. Ich hätte ja nicht gewusst, um was es sich dabei handelt, aber Herr Dinktoc, der seinerzeit seinen Wehrdienst bei der Marine abgeleistet hatte, informierte mich, es sei ein Hubschrauberträger, ehemals Flugzeugträger, jetzt eben umgebaut. Degradiert, sozusagen. Ein ziemlich großer Pott also.


Nachdem wir den recht saftigen Eintrittspreis in den Historic Dockyard gelöhnt hatten, besuchten wir als erstes das Museum der Royal Navy, in dem die gesamte britische Marinegeschichte aufgearbeitet wird, von den Anfängen im Mittelalter bis heute. Es gibt auch eine große Sammlung von Galionsfiguren zu bewundern und eines der Originalsegel von Horatio Nelsons Flaggschiff, wie sich auch ein Gutteil der Ausstellung dem Leben und Wirken des berühmten Admirals widmet.  

Somit waren wir gut vorbereitet für die Besichtigung eben dieses Flaggschiffes, der HMS Victory. Leider sind die drei hohen Masten derzeit zwecks Restaurierung abgebaut, das Schiff wirkt, nur mit den kleinen Masten, etwas gestutzt.


Von diesem Schiff hat Nelson seine Flotte kommandiert und die Schlacht von Trafalgar gewonnen, bei der er selber zu Tode kam. Die Stelle, an der er getroffen aufs Deck sank und starb, ist mit einer Messingplatte markiert und wird von allen Touristen pflichtgemäß bestaunt und fotografiert.


Die Schiffsbesichtigung war ja recht interessant, aber monatelang auf so engem Raum eingesperrt zu sein, wäre nichts für mich. Dunkel. Eng. So niedrige Decken, dass man nicht aufrecht stehen kann.


Herr Dinktoc, der alte Schiffsbetriebselektriker, fand das alles wunderbar und kroch in jeden Winkel.  Er hegt ja auch den Wunsch, wenn es denn eine Zeitmaschine gäbe, mit Sir Francis Drake zusammen in den Hafen von Maracaibo einzulaufen und eine Breitseite auf die Spanier abzufeuern. Mich allerdings hat die Besichtigung nur weiter in meiner Meinung bestärkt, dass Schiffe zwar hübsch anzusehen, für die menschliche Fortbewegung jedoch ungeeignet sind.



Deswegen musste Herr Dinktoc die Hafenrundfahrt auch alleine unternehmen. Angesichts des Wellengangs und des wirklich heftigen Windes an diesem Tag habe ich dankend verzichtet und die Wartezeit mit Schokokeksen und dem just im Souvenir-Shop erworbenen Diamond-Jubilee-Sonderheft mit höchst wertvollen biographischen Details über die Queen sehr angenehm überbrückt. 

(Fortsetzung folgt.) 

Mittwoch, 27. Juni 2012

Walking in the Rain (Day Six)

Unsere Urlaubsplanung hatte für diesen Morgen eine Wanderung vorgesehen. Leider hat Petrus den Plan wohl nicht gelesen, jedenfalls regnete es mal wieder. Davon ließen wir uns zunächst nicht abschrecken und starteten Richtung New Forest, der zwar "neu" heißt, aber auch schon beinahe 1000 Jahre alt und seit einigen Jahren Nationalpark ist.

Im Informationszentrum versorgten wir uns mit einer genauen Routenbeschreibung und wählten aufgrund des stärker werdenden Regens dann doch eine relativ kurze Strecke.


Schon auf diesen kleinen Drei-Meilen-Rundgang hat man gesehen, wie schön die Gegend ist. Leider war sie aber auch furchtbar nass; nachdem wir eine Feuchtwiese überquert hatten, war dann eigentlich alles egal, weil Füße, Schuhe und Hose-bis-zum-Knie so nass waren, als hätte man sich damit unter die Dusche gestellt. Entschädigt wurden wir aber durch das Auftauchen einer Herde der wilden Ponys, die im New Forest leben, und die - uns ostentativ ignorierend - dicht an uns vorbeitrabten.


In der Mitte des Rundwegs kamen wir noch zu einer Hütte des Britischen Vogelschutzbunds, wo zwei unverdrossene Freiwillige auf Besucher warteten und sich freuten, einen Schwatz zu halten und auf einheimische Vogelarten hinzuweisen. Sie hatten sogar Listen mit häufig vorkommenden Vögeln, deren Namen in fünf oder sechs europäischen Sprachen nebeneinander standen, damit man auch wusste, worüber man sprach. Wer weiß denn auch auf Anhieb, was Kiebitz, Rohrdommel oder Blaumeise auf Englisch heißen?

Nachdem wir erzählt hatten, dass zu Hause im hessischen Ried öfter Störche zu sehen sind und es sogar eine sogenannte "Storchencam" gibt, so dass man via Internet den Störchen ins Nest gucken kann, durften wir durch ein Fernrohr gucken, das auf ein Turmfalkennest ausgerichtet war und den kleinen Falken ein wenig zusehen.

Nach diesem trockenen Intermezzo stürzten wir uns wieder in den Wasservorhang und kamen so ziemlich durchweicht am Auto an. Erst mal die Heizung auf volle Pulle! Am siebten Juni, wohlgemerkt.

Die Weiterfahrt barg ungeahnte Gefahren - im New Forest gibt es nämlich auch freilaufende Kühe, und so stand plötzlich eine Rinderherde auf und neben der Straße herum. Den Viechern sollte man besser Vorfahrt gewähren.


Die nassen Füße weiter ignorierend begaben wir uns zum nächsten Programmpunkt: Clouds Hill, das winzige Häuschen von T.E. Lawrence, besser bekannt als Lawrence von Arabien. Herr Dinktoc hat der Bahnstrecke, die der berühmte Lawrence anno 1917 höchstselbst in die Luft gesprengt hatte, schon persönlich einen Besuch abgestattet, hatte schon einiges über T.E. gelesen und musste sich jetzt natürlich alles ganz genau ansehen.


Das Anwesen ist wirklich einen Besuch wert. Das Haus ist sehr klein, ein Schlafzimmer und Bad im Erdgeschoß, ein Wohnraum und eine sehr primitive Küche, die gleichzeitig als Gästezimmer diente, im 1. Stock, und das war's. In der Garage, in der Lawrence sein geliebtes Motorrad untergebracht hatte, gibt es eine kleine informative Ausstellung über sein Leben. Die Freiwilligen des National Trust vor Ort sind freundlich, gesprächig und jederzeit bereit, alle möglichen Anekdoten aus Lawrence's Leben zu erzählen und dabei von Hölzchen auf Stöckchen auf Baumstamm zu kommen. Auf diese Weise kann man leicht gemütlich zwei Stündchen verplaudern, während der Regen unablässig aufs Dach trommelte.

Bei der Fahrt über Land an diesem Tag fiel uns noch die ein oder andere Merkwürdigkeit auf: zum Beispiel gibt es in England offensichtlich keine freilaufenden Hühner. Hier - ein zoologisches Wunder - sind die Eier freihändig unterwegs. An beinahe jeder Farm fand sich ein Schild "free range eggs". Außerdem amüsierten wir uns über die folgende Prioritätensetzung:



Das Schild hängt in Wherwell, nicht weit von dem Gasthaus, in dem wir wohnten. Es war tatsächlich so, dass wir in diesem Dorf mehr Pferde als Kinder zu Gesicht bekommen haben.

Nach diesem Tag war die heiße Dusche wohlverdient - alles in allem schon fast eine Kneipp-Kur -  und das Abendessen auch, für Herrn Dinktoc mit Cider, der englischen Variante des hessischen Ebbelwoi (und genauso ... äh ... wohlschmeckend).


Vorneweg gab es eine leckere, superfrisch-fruchtige, glühend heiße Tomatensuppe mit viel Thymian, genau das Richtige zum Aufwärmen; kredenzt von einem derart gutaussehenden Kellner, dass ich ihn mir man ihn sich  am liebsten zum Nachtisch hätte servieren lassen. Herr Dinktoc hatte für diesen Spezialwunsch bedauerlicherweise kein Verständnis, und so blieb es bei zwei Gängen.

(Fortsetzung folgt.)

Dienstag, 26. Juni 2012

Stone Age und New Age (Day 5)

Mit dem Auto in die Steinzeit? Kein Problem. Stonehenge liegt recht verkehrsgünstig eingeklemmt zwischen zwei überregionalen Straßenverbindungen und verfügt über einen großen, einen wirklich GROSSEN, Parkplatz. Wir waren gleich morgens um 9, zu Beginn der Öffnungszeit, da und wunderten uns zuerst über die Abstellfläche. Eine halbe Stunde und ungefähr zwölf Reisebusse später wunderten wir uns nicht  mehr.

Es war gut, so früh da zu sein, da konnten wir den beeindruckenden Anblick noch einigermaßen in Ruhe genießen. Direkt an den Steinkreis kommt man nicht heran, sondern kann nur im Abstand von etwa 15 Metern um die ganze Anlage herumgehen. Druiden haben wir leider keine gesehen; lediglich ihre Wohnwagen irgendwo hinter dem großen Parkplatz. Kultische Handlungen dürfen nur außerhalb der Öffnungszeiten vorgenommen werden.


Herr Dinktoc hatte zwar eine Weile überlegt, im Vorfeld der Reise das "Stone Circle Access Application Form" auszufüllen, konnte sich bei der Frage nach den "full details of ceremony proposed and equipment to be used"  aber vor Lachen nicht entscheiden, ob er nun "Kupferkessel, Zauberstab und pulverisierter Lapislazuli  zur zeremoniellen Zubereitung eines Ameisenbären" oder "Goldene Sichel und Misteln, um letzteres mit ersterem zu zerkleinern, sich den Körper damit einzureiben und rituelle Kusshände austeilend einen Paarungstanz aufzuführen" eintragen sollte und hat es dann ganz gelassen.

Nach Stonehenge fuhren wir nach Avebury. Der Ort ist viel weniger bekannt als Stonehenge, bietet aber einen deutlich größeren Steinkreis. Das besondere hier ist, dass der Ort Avebury teilweise innerhalb dieses Steinkreises liegt. Die Grünfläche mit den Steinen bildet mehr oder weniger die Gemeindewiese, es weiden sogar Kühe darauf, man kann überall hingehen und muss nur darauf achten, alle Viehgatter wieder hinter sich zu schließen.


In Avebury, mit dem viel weniger regulierten Zugang, war es dann tatsächlich so, dass an beinahe jedem Stein ein New-Age-Jünger (oder eine Jüngerin) dicht an den Stein gedrückt stand oder saß und offensichtlich versuchte, mit dem Monolithen zu kommunizieren. Herr Dinktoc musste natürlich auch ein paar Minuten lang sein Ohr an den Stein pressen, meinte aber, er könne nicht mal das Meer rauschen hören. 

Der Souvenirladen im Ort bot selbstredend ein deutlich esoterisch ausgerichtetes Sortiment an. Insbesondere fielen die Unmengen von Heilsteinen aller Art auf, so viele, dass man eigentlich bei Betreten des Ladens auf der Stelle von allen Gebrechen hätte genesen müssen. Sehr schön auch die Dosen mit vielen verschiedenen Wachsarten. Ich erinnere mich an die Sorte "Tomato & Black Currant Wax". Leider gab es keine Packungsbeilage, und so blieb es mir überlassen, über den Zweck einer Wachsmasse aus Tomaten und schwarzen Johannisbeeren nachzudenken. Vermutlich muss man mit dem Zeug in der zweiten Nacht vor Vollmond mit einem tibetanischen Yakhaarpinsel seine Katze bestreichen, nachdem man das Tier genau zum magnetischen Nordpol ausgerichtet hat. Wenn man's richtig macht, ist die ewige Jugend gesichert.

Der Tag in der Steinzeit und seine modernen, esoterischen Auswüchse wirkten noch bis in den Abend nach. Wir hatten im Pensionszimmer eine kleine Ruhepause eingelegt. Kurz vor dem Abendessen schlug ich Herrn Dinktoc vor, noch einen kleinen Spaziergang durchs Dorf zu machen, um sich die Füße zu vertreten.

Herr D. konstatierte etwas unwillig: "Dann muss ich mir ja wieder eine Hose anziehen!"

Ich: "Hmnja, das ist so üblich, auch in England."

Herr D.: "Ich war doch heute in Stonehenge. Ab sofort bin ich auch ein durchgeknallter Druide! Ohne Hose! Freiheit für die Beine! Weg mit der Hose!"


(Fortsetzung folgt.) 

Montag, 25. Juni 2012

So weit die Füße tragen (Day Four)

Der letzte Tag in London. Eigentlich nur ein halber Tag, denn für 4 Uhr nachmittags war der Mietwagen gebucht, abzuholen am Flughafen Heathrow, und da muss man ja auch erst mal hinfahren. Am Morgen machten wir einen weiteren Spaziergang aus dem hier bereits gelobten Reiseführer, diesmal durch das feine Einkaufs- und Clubviertel St. James.


Viele Läden hier schmücken sich mit den Insignien des Hoflieferanten, besonders ausgesucht fanden wir die Auslage des Edelschuhmachers Lobb, der dezent darauf hinwies, bereits anno 1953 anläßlich der Krönung der Königin bestimmte Lederwaren an selbige geliefert zu haben



Ich gehe ja zu gerne bei solchen Geschäften schaufensterbummeln. Das Angebot ist so weit jenseits meines Budgets, dass ich gar nicht auf die Idee käme, einen Einkauf in Betracht zu ziehen, aber es macht einfach Spaß, schöne und/oder merkwürdige Dinge zu betrachten und zu überlegen, was um Himmels willen an diesem Bademantel / Bestecksatz / Regencape denn nun siebenhundertneunundneunzig Pfund wert sein könnte.

Am St. James Palace vorbei gingen wir dann zur Mall, wo sich bereits wieder größere Menschenmengen versammelt hatten. Nachmittags sollte eine große Kutschenprozession mit sämtlichen Royals stattfinden, da mussten die besten Plätze frühzeitig gesichert werden. Wir haben nur etwa eine halbe Stunde dort verbracht, genug, um nochmal die großartige Stimmung aufzusaugen.


Ein Beispiel: eine Straßenkehrerin sammelte noch ein paar Stückchen Papier von der Mall, und die ungefähr 20 Meter, die sie auf der Prachtstraße zurücklegte, wurde sie von Beifall und Jubel des Publikums begleitet, als sei sie die Queen persönlich. Diese haben wir dann sogar auch noch mal gesehen, vorbeifahrend im Rolls Royce.

Gegen halb elf verließen wir die Mall, schließlich mussten noch diverse Einkäufe erledigt werden. Man kann doch nicht nach London fahren, ohne zu Hatchard's zu gehen, der ältesten Buchhandlung Londons. Das Problem da ist dann nur, sich zu entscheiden, welche Bücher man nicht kauft. Herr Dinktoc weigerte sich strikt, den Ankauf einer zusätzlichen Reisetasche in Betracht zu ziehen. Vermutlich hegte er einen Verdacht, wer sie hätte tragen müssen.

Nach diversen anderen Einkäufen wollten wir mit der U-Bahn zum Hotel, um die dort aufbewahrten Koffer abzuholen. Leider waren wegen des Jubilee-Auftriebs auf der Mall diverse Tube-Stationen gesperrt oder derart überfüllt, dass wir notgedrungen den größten Teil des Weges zu Fuß zurückgelegt haben. Reichlich fußlahm setzten wir uns in die U-Bahn nach Heathrow und dachten, wir seien früh dran. Das galt auch noch, bis wir in Heathrow ankamen.

Am U-Bahnhof stehen dann genau zwei Hinweisschilder, eins zu Terminal 4, eins zu den Terminals 1-3. Nach einer Information, wo man die Mietwagenagenturen findet, sucht man vergebens. Wir zählten ene-mene-mu, wählten irgendeinen der langen, schlecht beleuchteten, informationsfreien Gänge und marschierten eine Viertelstunde (!) lang durch die Katakomben. Im Terminal angekommen fanden wir immerhin einen Infoschalter. Dort erfuhren wir die frohe Kunde, dass die Mietwagenagenturen ihren Standort alle außerhalb von Heathrow haben, es aber einen kostenlosen Shuttle-Bus gebe, der an Haltebucht Nummer 18 abfahre. Dahin war es zum Glück nicht ganz so weit, nach nur weiteren 10 Minuten kam der Shuttle-Bus, lud ungefähr ein Dutzend Personen und ihr Gepäck ein und kurvte dann 20 Minuten lang durch eine Betonwüste, bis wir endlich an der Agentur ankamen. Da bei diesem System die Kunden immer geballt vor den zwei Schaltern aufschlagen, dauerte es nochmal eine halbe Stunde, bis der Papierkram erledigt war und wir den Schlüssel hatten.

Die allgemeine Laune war mittlerweile nicht mehr die beste (passend zum Wetter, es goss schon wieder in Strömen), hob sich aber nach ungefähr 90 Minuten Fahrzeit deutlich beim Anblick des Gasthauses, in dem unser nächstes Quartier gebucht war.



Im Jahre 1611 als Coaching Inn, also als Kutschenwechselstation gebaut, und seither ununterbrochen als Gasthaus in Betrieb, mit einer äußerst gemütlichen Gaststube, Fachwerkbalken und schiefen Fußböden in den Zimmern und einem Bücherregal auf dem Klo. Das Haus hat gehalten, was die Bilder im Internet versprachen.

(Fortsetzung folgt.)


Sonntag, 24. Juni 2012

Majestätsbeleidigung

Da fährt man nach England in den Urlaub und schickt einem Stammtischbruder eine Postkarte, weil er während des Urlaubs Geburtstag hat. Und weil die Queen gerade diamantenes Jubiläum hat und man in einer leicht albernen Stimmung ist, schreibt man aus Spaß auf die Karte: Her Majesty has commanded me to express her best wishes for your birthday.

Und der Empfänger, aus Norddeutschland stammend, ein Freund klarer Worte, blumiger Ausdrucksweise weitestgehend abhold und eher prosaisch-pragmatisch veranlagt, las beim Entziffern meiner Handschrift statt "Majesty": Matjesfilet.

Freitag, 22. Juni 2012

Sightseeing galore (Day Three)

Montag war der einzige Tag, den wir komplett für Besichtigungen zur Verfügung hatten. Daher ist es vielleicht verständlich, dass wir uns definitiv zu viel vorgenommen hatten. Der Tag fing gemütlich an mit einem Spaziergang aus dem Reiseführer "London zu Fuß entdecken" (sehr empfehlenswert). Kreuz und quer ging es durchs Juristenviertel. Leider waren die Innenhöfe der meisten Inns of Court an diesem Tag gesperrt, schade. Dafür entdeckten wir in einem ansonsten äußerst seriös wirkenden Geschäft für juristische Fachliteratur eine hübsche Schaufensterauslage:   


Der Spaziergang endete in der Nähe des Towers, dort ging es dann in die Tower Bridge Exhibition, einer Dauerausstellung in den Türmen und Querbauten der Brücke, die sich mit dem Bau sowohl der Tower Bridge als auch anderer berühmter Brücken der Welt beschäftigt.


Die Ausstellung war natürlich besonders interessant für den anwesenden Ingenieur. Während er noch die technischen Einzelheiten studierte, bewunderte ich den grandiosen Blick auf London aus den Höhen des Querbaus:


Nachdem wir mit dieser Ausstellung fertig waren, fuhren wir per Docklands Railway nach Greenwich zum National Maritime Museum. Die nächste Ausstellung wartete: Royal River, die sich mit der Bedeutung der Themse für die Monarchie und für die Stadt London seit ihrer Gründung beschäftigte. Höchst interessant, gehen Sie hin, wenn Sie dieses Jahr noch nach London kommen. 


Danach gedachten wir zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und die fällige Pause auf einer Flußfähre zurück nach London zu verbringen. Das hatten wir vor Jahren schon mal gemacht und fanden es großartig. Leider ändern sich die Zeiten ... inzwischen ist die Fähre nicht mehr im Verbund mit London Transport (d.h. man muß ein Extra-Ticket kaufen für nicht wenig Geld), angeblich ist die Fähre dafür jetzt schneller, aber weil sie nun mehr Zwischenhalte hat als früher, und zwar auf beiden Flußufern, dauert die Fahrt genauso lange, wenn nicht länger. Außerdem war die Endstation dann doch schon der Pier bei Charing Cross, obwohl wir bis Westminster gebucht hatten.

Eigentlich hatten wir für diesen Tag ja noch das Imperial War Museum  auf dem Plan, aber dafür war es nun doch zu spät und die Füße zu müde. Außerdem mussten wir ja abends wieder fit sein, denn im Prince of Wales Theatre warteten die vor Monaten gebuchten Tickets für "Mamma Mia!" auf uns. Genau die richtige Veranstaltung nach einem langen Besichtigungstag. 


Und weil wir ja noch nicht genug gelaufen waren, gingen wir nach dem Theater noch ein Stück zu Fuß, in der Hoffnung, etwas vom Jubiläumskonzert auf der Mall mitzukriegen. Leider war aber alles abgesperrt - es waren einfach zu viele Menschen unterwegs. Immerhin haben wir hinter den Bäumen des Green Park noch so ein, zwei Raketen vom Feuerwerk aufsteigen sehen. Die Bilder vom Konzert haben wir dann später in den BBC-Nachrichten angeguckt, d.h. wir versuchten sie anzugucken, denn nach ungefähr zwei Minuten in der Waagerechte war ich tief und fest eingeschlafen. Herr Dinktoc hat es wohl noch geschafft, die Glotze auszumachen, bevor er auch ins Koma fiel.

(Fortsetzung folgt.)


Donnerstag, 21. Juni 2012

Eine ziemlich große Kahnpartie (Day Two)

Der zweite Urlaubstag stand ganz im Zeichen des Diamond Jubilee. Die Organisatoren hatten das Britische Wetteramt nach dem sonnensichersten Sonntag gemäß langjährigem Mittel gefragt, für den dann auch das Ereignis terminiert wurde. Gemäß guter alter britischer Tradition goß es an dem Tag aber in Strömen und das Thermometer hing irgendwo bei 13 Grad fest.


Das tat der Stimmung allerdings keinerlei Abbruch. Am Sonntag bestätigte sich, was uns schon am Samstag aufgefallen war: die Londoner freuten sich aufs Feiern, alle waren gut gelaunt, auch Polizei und sonstige Sicherheitskräfte. Von so ein bisschen Wetter lässt man sich doch die größte Bootsparade auf der Themse seit 350 Jahren nicht vermiesen!

Morgens um halb zehn waren wir am Fluss, an der Uferstelle, die wir am Abend vorher ausgeguckt hatten. Dort hatten sich inzwischen aber schon die hartgesottensten Fans einen Platz gesichert, die mit Klappstuhl, Zeltplane, Schlafsack und Picknickkorb, die schon vor Tau und Tag angekommen sein mussten. Ein paar Meter weiter flußauf fanden wir dann aber den optimalen Ort, wo ein dicht am Fluß stehendes Gebäude ab dem ersten Stock so weit überkragte, dass es den Thames Footpath überdachte. Im Trockenen stehen, bei guter Sicht aufs Wasser, das war an dem Tag echter Luxus.

Die Zeit, bis die Bootsparade endlich los ging, haben wir uns mit Gucken und Schwatzen vertrieben. Die sonst so zurückhaltenden Engländer sind bei derartigen Veranstaltungen immer sehr offen - man hat ja ein offensichtliches gemeinsames Interesse und damit auf jeden Fall ein Gesprächsthema. Neben uns standen ein paar echte Londoner, in der Wolle gefärbte Cockneys. Als wir uns erstmal an ihren Dialekt gewöhnt hatten und verstanden, was sie sagten, war es recht lustig.

Gegen Mittag wurden die Zugänge zum Fluß gesperrt, und zwar bevor es zu eng wurde. Sehr angenehm, man konnte sich immer noch ein wenig bewegen und die Füße vertreten. Sehr gut gefallen hat mir der Pragmatismus des Security-Personals beim Finden einer einfachen und effektiven Lösung für Leute, die mal aufs Klo oder an die nächste Kaffeebude wollten: beim Verlassen der Sperrzone informierte man den Sicherheitsfritzen über sein Vorhaben, woraufhin der sich dicht zu einem neigte und ins Ohr flüsterte: "Password: Queen!" Bei der Rückkehr mit leerer Blase und/oder vollem Kaffeebecher ging man dann zum flugs als solchen deklarierten Password-Einlass und flüsterte der dortigen Security-Dame seinerseits ein "Queen!" ins Öhrchen, woraufhin man durch die Sperre durfte.

Gegen vier Uhr nachmittags ging es dann endlich los. Insgesamt beinahe 1000 Wasserfahrzeuge. Eine bunte Angelegenheit, besonders all die kleinen Boote mit allen Flaggen des Commonwealth, jede Menge Kajaks und Kanus mit Menschen in ihrer Landes- oder Stammestracht, dazu - wir wären nicht in England, wenn diese nicht dabeigewesen wären - eine Auswahl der "Little Ships of Dunkirk".





Dazu Segelschiffe aller Größen, Jachten, Dampfschiffe, Barkassen, Ruderboote. Mittendrin, auf einer eigens umgebauten "Royal Barge": Die Queen. Ja, ich weiß, auf diesem Foto kann man sie nur erahnen, aber live wusste man ganz genau, wer es ist!  


Ich gebe gerne zu: am Fernseher hätte ich sicher mehr von der Parade gesehen. Trotzdem möchte ich den Tag nicht missen. Die Stimmung kann keine noch so grandiose Fernsehübertragung vermitteln. (Obwohl: auf dem DVD-Recorder wartet noch die deutsche Übertragung, kommentiert von Rolf Seelmann-Eggebert, darauf, angesehen zu werden. Am nächsten Regensonntag, zum Stimmungserinnern).


Und Herr Dinktoc, dem die Queen ja eigentlich so ziemlich egal ist, ließ sich von der Stimmung anstecken und hat kräftig mitgefeiert. Den Schal hat er natürlich nur gekauft, weil es so kalt war, und die Fahne war ein Werbegeschenk. Der Mann hat's nicht leicht, ich sag's Ihnen.
(Fortsetzung folgt.)

Mittwoch, 20. Juni 2012

London Calling (Reisebericht, Day One)

Jetzt wird es aber wirklich Zeit, anzufangen - wir sind schon fast eine Woche wieder zu Hause. Nachdem nun sämtliche Urlaubsklamotten gewaschen sind und das Haus entstaubt ist, nachdem die Katzen vom Beleidigtsein, weil das Personal sich erdreistete, 12 Tage aushäusig zu sein, in den Normalmodus zurückgeschaltet haben, nachdem im Büro eine Schneise durch die E-mails und die Papierberge geschlagen wurde und schließlich auch mal die gut 1300 Fotos gesichtet sind, kann ich jetzt endlich mit dem Reisebericht loslegen.


Sämtliche Züge waren auf die Sekunde pünktlich (jawoll!), und um 12 Uhr Ortzeit waren wir bereits in London. Um die Ecke vom Hotel liefen wir gleich in eine Straßenparty zu Ehren der diamantenen Königin.  


Solcherart Feierlichkeiten haben aber natürlich keinen Einfluss auf das Stattfinden des Portobello Road Markets, der immer samstags abgehalten wird. Menschenmassen, skurrile Anblicke, jede Menge weiß-rot-blau. Die Queen auf Tassen, Tellern, Schirmen, Handtüchern, T-Shirts, Schals. Kate & William auf Tassen, Tellern, Schirmen, Handtüchern, T-Shirts, Schals. Die englische Fußballnationalmannschaft auf Tassen, Tellern, ... Nur Olympia wird (noch) weitgehend ignoriert.  


Für einen ersten Reisetag hätten die Eindrücke damit schon gereicht, aber am Abend war ja noch ein langersehnter Termin am Tower: Die Ceremony of the Keys.


Der Auftrieb, um an die Tickets zu kommen, hat sich allemal gelohnt! Um halb zehn Uhr kam uns ein Beefeater am Eingang abholen, zusammen mit einer Reisegruppe mittelalter bis methusalemiger Engländer wurden wir in den Tower eskortiert und das Zeremoniell erläutert. Der Beefeater erklärte, die eigentliche Schlüsselzeremonie werde 7 Minuten dauern und präzise um 22.00 Uhr zu Ende sein.

Leider darf man während der Zeremonie nicht fotografieren - es hätte sich gelohnt. Die Wache am Westtor schließt mit viel Klappern das Tor und das kleine Türchen darin ab und kommt dann mit dem Schlüssel anmarschiert, die Wachablösung formiert sich vor der Wachstube; zwischen den beiden Gruppen steht ein einsamer Soldat auf Wache. Fein choreographiert treffen alle drei vor dem Tor zur inneren Festung zusammen. Der einzelne Soldat tritt mutig vor und brüllt mit maximalem Stimmaufwand: "HALT! WHO COMES THERE?!" "The keys!" "WHOSE KEYS?!" "Queen Elizabeths keys!" "PASS QUEEN ELIZABETHS KEYS!" "Amen!" Woraufhin die Schlüssel überreicht werden und der Trompeter zum Rückzug bläst. Der letzte Trötenton ist kaum verklungen, da beginnt die Uhr zehn zu schlagen. Chapeau!


Der Beefeater eskortierte uns wieder nach draußen, durch exakt das Tor, das justament vor wenigen Minuten zeremoniös abgeschlossen worden war (nanu?) Noch ein bisschen sinnierend über die uralte Zeremonie - sie fand statt, als die Pest wütete, sie fand statt während des Hundertjährigen, des Siebenjährigen und des spanischen Erbfolgekriegs, sie fand statt, als der Große Brand fast die ganze Stadt in Schutt und Asche legte, sie fand statt während der deutschen Luftangriffe im zweiten Weltkrieg, sie wird wohl stattfinden, solange der Tower steht - beschlossen wir den Abend mit einem Spaziergang an der Themse und hielten dabei schon mal Ausschau nach einem guten Standplatz, um am nächsten Tag die Schiffsparade zu Ehren der Queen anzusehen.

(Fortsetzung folgt.)

Freitag, 1. Juni 2012

45

Vor lauter Urlaubsvorbereitungsstress komme ich seit Tagen nicht dazu, den obligaten Eigengeburtstagspost zu schreiben. Erst wollte ich das Wiegenfest weitgehend ignorieren und gar nix feiern, dann habe ich mich entschlossen, da der Geburtstag nun schon mal auf einen Sonntag, sogar Pfingstsonntag, fiel, eine ganz kleine Runde zu einem "Full English Breakfast" einzuladen. Das schien mir angesichts der bevorstehenden Englandreise äußerst passend.

Da ich außerdem mit Mitte Vierzig jetzt allmählich in das Alter komme, in dem man wunderlich werden darf, habe ich mich bei der Tischdekoration hemmungslos ausgetobt, will heißen, den geschenkten Kalender mit Bildern von Williams & Kates Hochzeit gefleddert und 5 Bilder laminiert, um sie als Tischsets zu verwenden. Auch ein Union Jack-Winkelement wurde erworben und platziert.


Die Gäste schwankten zwischen Lachen und Entsetzen. Herr W.B. ließ durchblicken, dass er sehr froh war, dass später die Teller die Bilder weitestgehend verdeckten, damit ihm nicht der Appetit verdorben würde. 



Rühreier, Speck, Würstchen, Pilze, gegrillte Tomaten, Baked Beans und natürlich auch Toast mit gesalzener Butter und der original englischen Orangenmarmelade fanden guten Zuspruch. Nach etwa anderthalb Stunden waren eigentlich alle  satt, aber ich hatte da noch einen Nachtisch im Kühlschrank:


Das Rezept stammt aus einer BBC-Fernsehzeitung, die der hochgeschätzte englische Kollege bezieht und mir mitgebracht hat. Ich hatte ihm von dem Frühstücksvorhaben erzählt, und da meinte er - völlig zu Recht - dass dieser Kuchen doch wie Faust aufs Auge dazu passen würde.

Danke an die Gäste - W.B., A.E. und M.P. - und natürlich Herrn Dinktoc für die Geschenke und den schönen Tag!

Putzig

Im Flur unserer Geschäftsführung wurde gerade renoviert und unter anderem ein neuer Bodenbelag aufgebracht. Ein moderner, sehr heller Kunststoffbelag, wirkt wie Schiffsparkett und ist nicht ganz glatt, sondern so strukturiert, dass sich kleine Ritzen im Millimeterhöhenbereich ergeben.

Unsere portugiesische Putzfrau hat sich ein Abfallstück besorgt, hät es ins Licht, dreht es hin und her und prüft den Belag ganz offensichtlich auf seine Säuberungsfreundlichkeit:

"Iste doch Plastik, oder was meinst du? Und so 'ell! Und die Rillen hier, bleibt immer Krümel hängen. Iste ßeiße zu putze, siehstu jeden Dreck!"

Sie dreht das Abfallstück noch ein paar Mal hin und her, wirft es dann wieder in den Müll und verkündet fröhlich: "Ach, was soll! Dauert ein Jahr, bis richtig dreckig ist, und in ein Jahr ich geh in Rente, dann iste mir egal!"