Mittwoch, 20. November 2013

Jahresendzeitstimmung

Ein Bekannter erzählt, seine Firma richte keine Weihnachtsfeier mehr aus, sondern eine "Jahresendfeier". Die Umbenennung soll angeblich der Integration nicht-christlicher Menschen dienen. 

Diese Art vorgeblicher politischer Korrektheit finde ich, mit Verlaub: Kacke! 

Bei uns in der Firma arbeiten Leute aus fast 30 Nationen, und ich habe noch keinen chinesischen oder algerischen Kollegen sich beschweren hören, dass hier, im Büro in Deutschland, nach wie vor eine Weihnachtsfeier stattfindet. Die Büros in Jeddah, Moskau und Neu-Delhi arbeiten während der westeuropäischen Weihnachtszeit, und deutsche Kollegen vor Ort arbeiten mit. Dafür haben sie am orthodoxen Weihnachtsfest, am Opferfest, an Divali frei.

Ins Ausland entsandte Kollegen haben die vor Ort üblichen Arbeitszeiten und Feiertage. Das ist hier seit Jahrzehnten Usus, einfach, weil es am praktischsten ist und weil es eben auch eine Respektsbezeugung ist, im Ausland die dortigen Feste mitzufeiern und sich am lokalen Brauchtum zu beteiligen.

Wenn ich hier kurz vor Weihnachten selbstgebackene Plätzchen und kleine Schokonikoläuse in die Firma mitbringe, freut sich der irakische Kollege darüber genauso wie der französische. Oder soll ich dem türkischen Kollegen keinen Schokoweihnachtsmann anbieten, bloß weil er den eventuell als christliches Symbol verstehen könnte? Und was ist mit dem deutschen Atheisten, der aber trotzdem gerne Schokolade isst?

Warum beschneiden wir uns selber unserer Buntheit? Integration bedeutet doch wohl nicht, alle Farben solange auszuwaschen, bis nur noch ein labberiges Einheitsgrau übrig ist, ein fades, nichtssagendes, bedeutungsloses Etwas, mit dem sich niemand mehr identifizieren kann.

Außerdem stellt sich mit dem Begriff "Jahresendfeier" die politische Korrektheit geradezu selbst ein Bein: Das Jahr geht zu Ende, ja: in der westlichen Welt. Das Jahr 1435 islamischer Zeitrechnung hat vor zwei Wochen angefangen; das Jahr 5774 der jüdischen Zeitrechnung begann dieses Jahr an unserem 4. September. Das chinesische Neujahr findet am 31. Januar 2014 christlicher Zeitrechnung statt, das kurdische Neujahr fällt auf die Tag-und-Nachtgleiche im Frühjahr. Diese Eurozentrik grenzt an Neo-Kolonialismus und ist umso schlimmer, da sie im Mäntelchen der politischen Korrektheit daherkommt.

Um mich wieder zu beruhigen, werde ich jetzt Jahresendplätzchen backen.

Mittwoch, 13. November 2013

Anruf aus Merkwürdistan

Da kommt man Sonntagabend aus dem Urlaub und findet auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht des Tierheims: "... es geht um Ihren Kater Leopold, den Sie vor einiger Zeit [vor fast 3 Jahren!] von uns übernommen haben. Keine Sorge, nichts Schlimmes, bitte mal zurückrufen."

Man macht sich natürlich trotzdem Sorgen und ruft am Montagmorgen im Tierheim an. Es stellt sich heraus, dass sich vor kurzem der Vorbesitzer des Herrn Leopold gemeldet hat, und es wäre ihm ja klar, dass der Kater ein neues Zuhause hat, und er wolle ihn ja gar nicht zurück, aber seine Tochter würde das Tier ja so vermissen und würde Leopold so gerne noch einmal sehen, um sich zu verabschieden. Dieser Mensch hat so lange auf die Tierheimdame eingeredet, bis sie zugesagt hat, bei uns nachzufragen, ob wir damit einverstanden wären.

Sind wir nicht.

Was ist das für eine merkwürdige Anfrage? Nach fast 3 Jahren, in Worten DREI JAHREN, die Leopold schon bei uns ist, fällt dem Menschen ein, mal beim Tierheim nachzufragen? Der Kater wurde seinerzeit in Mainz auf der Straße gefunden und ins Tierheim gebracht, wo er mehrere Wochen (!) saß, bis wir ihn adoptierten (oder eher: er uns, aber das ist eine andere Geschichte). Wenn die Tochter ihren Kater so vermisste - was ich ja nachvollziehen kann - warum hat der Vater damals nicht das Naheliegendste getan und die Tierheime der Umgebung abtelefoniert?

Für die Tochter tut's mir schon ein bisschen leid, aber ich möchte einfach meine Telefonnummer und Adresse nicht an solch seltsame Menschen geben. Meine Befürchtung (und auch die der Tierheimdame, das war zwischen den Zeilen zu hören) ist, dass wir dann zukünftig jede Woche mit einem Anruf rechnen müssten, ob es dem Leopold denn wirklich gut geht und ob man ihn nicht mal wieder besuchen darf und ob und ob und was weiß ich. Will ich nicht.

Wie seht ihr das?