Freitag, 27. Juli 2012

Pilgerfahrt ins Einkaufsparadies (Day Eleven)

Canterbury. Die Stadt stand schon lange auf meiner Wunschliste - ich habe nun mal ein Faible für gotische Kathedralen, überhaupt für (ältere) Architektur und Geschichte. Damit ist man in Canterbury genau richtig.

Der Landlord unseres Bed & Breakfast hatte uns außerdem gewarnt "Be careful. Canterbury's a very dangerous city. Keep your wallet closed!", will meinen, man kann hier wunderbar einkaufen. Genau dies hatten wir auch vor, da fehlten noch einige Mitbringsel, für Freunde, Verwandte sowie uns selbst.

Der einzige Wermutstropfen war - mal wieder - das Wetter. Die Sonne schien in Strömen! Immerhin führte das dazu, dass wir uns ausgiebig in der wirklich großartigen Kathedrale aufhielten. 



An der Stelle, an der Erzbischof Thomas Becket 1170 ermordet wurde, unter dem Vierungsturm, steht ein Ewiges Licht. Mit kurzer Unterbrechung während der Reformation durch Heinrich VIII (der schon wieder!) brennt dort seit über 800 Jahren eine Kerze. Anrührend, finde ich.


Mehr von dieser Welt war eine Entdeckung im Kreuzgang: auf einer Steinbank eine Kuscheldecke mit Pfotenmuster, ein Wassernapf, ein Fressnapf und der Hinweis in der Kathedralbroschüre, dass der Kreuzgang und Garten Revier eines Katers ist, der reihum von den Küstern der Kathedrale versorgt wird. Seine schnurrige Majestät selbst bekamen wir leider nicht zu Gesicht.


Es hörte nicht auf zu regnen, und um nicht völlig nass zu werden, mussten wir einen langen Einkaufsbummel mit ausgiebigen Aufenthalten in den einzelnen Geschäften machen. Für die Freundin fanden wir endlich eine schöne und nur mäßig kitschige "Diamond Jubilee"-Tasse, die Kollegen hatten Shortbread bestellt, für uns selbst frästen wir uns durch ein Käseregal, und verschiedene Chutneys mussten natürlich auch in den Einkaufswagen (irgendwo hatte ich Johannisbeer-Zwiebel-Chutney gegessen, und ich sage Ihnen: k-ö-s-t-l-i-c-h-t-s!); in einem Kaufhaus alter Sitte, will heißen Familienbetrieb in verwinkelter Höhle aus mehreren, mit Durchbrüchen verbundenen alten Häusern, fand ich in der Haushaltswarenabteilung eine Pie-Form, nachdem ich vorher eine Zeitschrift gekauft hatte, in der köstliche Pie-Rezepte zu finden waren. "Immer diese Folgekosten!" pflegt Herr Dinktoc in diesen Fällen zu sagen.


Allerdings sollte er diesmal den Ball flach halten, denn es  muss festgestellt werden, FESTGESTELLT in Großbuchstaben, dass es Herr D. war, der in diesem Urlaub Geld für Klamotten ausgegeben hat, nicht ich! In Stonehenge musste er sich unbedingt ein T-Shirt kaufen, und hier in Canterbury fiel er über eine Mütze aus echtem schottischen Harris-Tweed. Das Etikett sagt "handwoven on the Outer Hebrides".  


Die Mütze steht ihm wirklich gut, aber als er sie abends ausführte, konnte ich mich nicht entscheiden, wem er damit ähnlicher sieht: dem Werbemann des schottischen Fischereiverbandes oder  James Herriott, dem Tierarzt aus "Der Doktor und das liebe Vieh".

(Fortsetzung folgt.)

Mittwoch, 25. Juli 2012

Serviceorientierung

"So!" sagte ich heute Morgen zu Herrn Dinktoc. "Meine Nebenjobs habe ich eben alle erledigt."

"Was für Nebenjobs?!" begehrte der Mann zu wissen.

"Na, als Kellnerin, Klofrau und Masseurin!"

Herr D. stellt fest: "Aha. Hast du also die Katzen gefüttert, gekrault und das Katzenklo saubergemacht. Haben die Viecher dir wenigstens ein ordentliches Trinkgeld gegeben?"

"Natürlich nicht, aber sie haben geschnurrt."

"Undankbare Kundschaft!"


Wo er recht hat, hat er recht. Trotzdem macht man sich jeden Tag freiwillig zum Sklaven seiner Samtpfoten und gerne auch mal zum Affen, wenn die Katzen "spiel mit mir!" fordern. Wie machen die das, ihre Menschen so mühelos um die Pfoten zu wickeln?

Dienstag, 24. Juli 2012

Homes & Castles (Day Ten)

Der zehnte Tag war diversen Homes & Castles gewidmet. Eine weise Entscheidung, denn wettermäßig war leider immer noch keine Besserung zu verzeichnen. Man könnte sagen, während unseres Urlaubs hätte es nur einmal geregnet, nämlich von Anfang bis Ende. Die Aussage wäre nur leicht übertrieben.

Erste Station: Bateman's. Das Haus Rudyard Kiplings, in dem er von 1902-36 lebte. Der Landsitz ist so erhalten, wie er 1936 eingerichtet war, mit den Möbeln, Büchern, Bildern. Anhand der Stadtansichten an den Wänden in Kiplings Schlafzimmer entspann sich eine interessante Diskussion über Städtebau und -wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg mit dem Aufsichtsmenschen vom National Trust. Es waren Bilder von Frankfurt (!), Canterbury und anderen englischen und europäischen Städten aus den 1920er Jahren. Wie würden sie ohne die Kriegszerstörungen heute aussehen?


Das Haus selbst stammt aus dem 17. Jahrhundert und liegt auf einem Riesengrundstück. Ein Teil davon ist als Garten gestaltet. Hier fanden wir auch eine Rabatte, gute 30 Meter lang, ausschließlich mit Katzenminze bepflanzt (das wäre das Paradies für diverse mir bekannter Katzen, inklusive meiner eigenen ... Junkies!).

Bei dem Anblick fiel mir wieder ein, dass auch Kipling Katzen sehr schätzte und eine wunderbare Kurzgeschichte geschrieben hat, die den eigensinnigen und unabhängigen Charakter der Samtpfoten hervorragend einfängt: "The cat who walked by himself". Und wie es der Zufall so will, lief uns plötzlich am Wirtschaftsgebäude von Bateman's ein feuerroter Tiger über den Weg, walkte zwar by himself, war aber ein paar Streicheleinheiten nicht abgeneigt.


Nächster Stop war Hever Castle. Heute Privatbesitz der Familie Astor (genau, die mit dem berühmten Hotel in New York). Die meisten Besucher kommen aber nicht deswegen nach Hever, sondern weil in diesem Haus Anne Boleyn aufgewachsen ist, die zweite Frau Heinrichs des VIII. (und eine der beiden Ehefrauen, die er hat köpfen lassen), derentwegen die Church of England überhaupt erst erfunden wurde.

Weil es nach diesem Besuch immer noch regnete und wir immer noch nicht genug alte Steine angeguckt hatten, begaben wir uns nach Ightham Mote, einem der ältesten Häuser Englands, erbaut 1320 (!), umgeben von einem Wassergraben. Von der Bausubstanz aus dem 14. Jahrhundert ist nur noch sehr wenig übrig - im 16. Jahrhundert ließ der damalige Hausherr mächtig umbauen, um den damaligen König Heinrich VIII. (da isser wieder) angemessen empfangen zu können, sollte der einen Besuch jemals in Erwägung ziehen. Überall wurden die Tudor-Rose und der Granatapfel dekorativ verwendet, die Symbole Heinrichs VIII. und seiner ersten Frau, Katharina von Aragon. Der König ließ sich aber nie blicken, und als Katharina verbannt war und Heinrich mit Anne Boleyn liiert, hätte ein Besuch des Königs automatisch die Zerstörung sämtlicher Hinweise auf Ehefrau Nr. 1 nötig gemacht. Wir können Heinrich also dankbar sein, dass er nie zu Besuch kam und wir somit heute noch ein wunderschönes, komplettes Tudor-Ensemble bewundern können.



Nach derart viel Architektur und Geschichte trieb uns der Hunger abends in einen "Tex-Mex-Pub". Fragen Sie nicht - in England können und werden Sie die merkwürdigsten Kombinationen auf ein- und derselben Speisekarte finden.

Englisches Bier und Enchilladas passen recht gut zusammen, und als der erste Hunger gestillt war und ich somit wieder etwas Aufmerksamkeit für die Umgebung übrig hatte, fiel mir etwas an Herrn Dinktoc auf und ich fragte ihn (mit nur leichtem Erstaunen, als erfahrene Ehefrau ist man ja Kummer gewohnt): "Was ist denn das das auf deiner Brille? Hast du dir da etwa Chili hingekleckert?" "Ja", sagte Herr D. "Das schärft den Blick!"

(Fortsetzung folgt.) 

Mittwoch, 11. Juli 2012

White Cliffs & White Garden

Tag Neun. Der Urlaub ging schon bedrohlich dem Ende entgegen, und so begannen wir den Tag mit einer Fahrt nach Dover, um mal einen Blick über den Kanal zu werfen und zu sehen, wo wir in 4 Tagen schon wieder hinfahren würden.


Leider war es sehr diesig, so dass Frankreich am Horizont nur zu ahnen war: der etwas dunklere Strich zwischen meergrau und himmelgrau.

Auch die berühmten White Cliffs of Dover haben wir nicht wirklich gesehen - das Problem ist, dass man die eigentlich nur vom Meer aus so richtig vor die Augen bekommt. An einem einzigen Punkt von der Zufahrtsstraße nach Dover rein kann man die Klippen gut sehen, aber genau da kann man natürlich nicht anhalten, ohne einen Stau in halb Südengland zu verursachen. Diese Straße ist nämlich auch der einzige Zubringer zum Fährhafen Dover.



Von Dover Castle aus konnte man immerhin den Steilabfall und den Beginn der Kliffs sehen. Diese Burg sei allen historisch Interessierten ans Herz gelegt - 2000 Jahre Geschichte sind hier versammelt. Dieser Turm ist eines der wenigen noch erhaltenen Bauwerke Englands aus der Römerzeit. Der größte Teil der Festung, so wie sie heute zu sehen ist, stammt aus dem Mittelalter, aus Zeiten des Hundertjährigen Kriegs zwischen England und Frankreich. Aber selbst im Zweiten Weltkrieg wurde Dover Castle noch strategisch genutzt. In die Felsen unterhalb der Burg sind lange Gänge getrieben, die als Bunker, Ausguck und Nachrichtenzentrale dienten.


Beim Wegfahren aus Dover amüsierten wir uns über die großen Schilder in englisch-französisch-spanisch-deutsch-italienisch: LINKS FAHREN! Frisch von der Fähre haben viele offensichtlich (und verständlicherweise) damit Schwierigkeiten.

Den Nachmittag verbrachten wir in Sissinghurst Castle. Von dem Ursprungsgebäude aus dem 16. Jh. ist nur wenig übrig, aber nach Sissinghurst fährt man ja auch wegen des Gartens. Eigentlich sind es mehrere Gärten, die ineinander übergehen, abgegrenzt durch Hecken und Rabatten. 


Berühmt ist der weiße Garten, in dem - Sie erraten es - nur weißblühende Blumen und Sträucher stehen. Es gibt Gartenenthusiasten aus Japan und Australien, die eigens wegen dieses Gartens nach England reisen. Vielleicht hatten wir die falsche Jahreszeit erwischt, aber gerade den White Garden fand ich jetzt nicht sooo toll.


Hingegen konnte ich mich kaum von den Beeten mit den vielen verschiedenen Mohnblumen trennen. Besonders diese zartrosa Art hatte es mir angetan. Herr Dinktoc konnte mich nur mit Mühe davon abhalten, eine Staude auszugraben und mitzunehmen. Nix darf man.


Abends fanden wir noch ein schönes Beispiel für das besondere Verhältnis, das Engländer zu ihrer Geschichte haben: im Dorfpub "The King's Arms" hängt an der Wand, ordentlich hinter Glas, eine handschriftlich ausgeführte Liste aller Wirte seit Bau des Pubs anno 1602, zusammen mit den Jahreszahlen, von wann bis wann der jeweilige Landlord zugange war. Und dahinter, in einer weiteren Spalte, waren - auch mit Jahreszahlen - die zur Zeit des jeweiligen Wirts herrschenden Könige und Königinnen aufgeführt, angefangen bei Elisabeth I. Der Zettel selber ist etwa 120 Jahre alt; damals, zu Queen Victorias Zeiten, hat jemand in Tinte die Historie vom frühen 17. bis ins späte 19. Jh. notiert. Später wurden dann die aktuellen Wirte, Könige und Jahreszahlen ergänzt, in wechselnden Handschriften, erst auch mit Tinte, später mit Kugelschreiber. Wenn ich solch schräge Dinger sehe, weiß ich, warum ich so gerne in England bin.


(Fortsetzung folgt.)

Dienstag, 10. Juli 2012

Sommersonntagsspaziergang


Morgens Regen, graue Wolken, trübes Licht, kalte Windböen. Ein wunderbares Alibi, ausgiebig Zeitung zu lesen und noch einen Kaffee mehr zu trinken. Mittags dann klarte es auf, die Sonne kam, die Wolken zogen den Schäfchenpelz an, der Wind wurde zum angenehmen Luftzug. Der Nachmittag brachte den Herrn Pathologen mitsamt Ehefrau und Praxisnachfolger und einen gemeinsamen Spaziergang zum "Apfelgarten", der Sommerwirtschaft eines hiesigen Obstbauern mitten zwischen Getreidefeldern und Streuobstwiesen. Mit frisch gepresstem Apfelsaft, hausgemachtem Apfelwein, und hausgebackenem Kuchen geht so ein Nachmittag furchtbar schnell vorbei. Hach, was für ein Wohlfühlsonntag!

Donnerstag, 5. Juli 2012

Der Herzog, der Prinz und das Meer (Day Eight)

Schon eine Woche in England. Es steht wieder Bettenwechsel an und damit eine recht lange Autofahrt, von Wherwell in Wiltshire nach Offham - bei Maidstone - in Kent. Wir versüßten uns die Tour mit zwei Besichtigungsstops.

Erster Halt war Arundel Castle, Sitz des Herzogs von Norfolk, der als höchstrangiger Adliger Englands - außerhalb des Königshauses - bei zeremoniellen Angelegenheiten eine wichtige Rolle spielt. Er organisiert zum Beispiel die jährliche Parlamentseröffnung durch die Queen. Das wäre für sich noch nicht so interessant, wenn die Herzöge von Norfolk nicht seit über 500 Jahren derartige Aufgaben hätten und deshalb ein Privatarchiv zusammengetragen haben, um das so manche Staatsbibliothek sie beneiden könnte.

Die Burg bietet eine grandiose Aussicht über die Sussex Downs und ist außerdem architektonisch interessant: die Anfänge gehen zurück auf das 11. Jahrhundert, aber der größte Teil der Burg wurde im späten 19. Jahrhundert historisierend wieder aufgebaut. 



Der Park ist - der Gesamtanlage angemessen - riesig und hat mit ein paar Überraschungen aufzuwarten. Neben der herzoglichen Privatkapelle wachsen in einer geschützten Ecke Palmen (!), eine formale Gartenanlage geht fast ansatzlos in einen Schnittblumen- und den Küchengarten über. Hier fanden wir in einer Ecke auch diesen ausgesucht hübschen - ja was - Gartenschuppen? Jagdhütte? Teehaus? Jedenfalls ein winziges Häuschen, dessen Säulenkapitelle und Dachverzierungen aus lauter Elchgeweihen bestanden. Das ganze hatte einen sehr verwitterten Charme - diese Elchherde hat sicher schon vor über 100 Jahren dran glauben müssen.


Nach Arundel ging es nach Brighton. Nach einer ganzen Woche in England wollten wir uns doch mal mit eigenen Augen überzeugen, dass wir auf der Insel sind, und das Meer sehen. Dafür hatten wir uns DAS Seebad überhaupt ausgesucht, die Stadt, die den Begriff "Seebad" wohl überhaupt erst geprägt hat. Zu verdanken ist das dem späteren Georg IV., der Anfang des 19. Jh. seine Zeit - bevor er König wurde - gerne in Brighton verbrachte und den berühmten Royal Pavilion erbauen ließ, der eine wunderbar wilde Mischung aus indischer, arabischer und Zuckerbäckerarchitektur bietet.


Inzwischen ist Brighton ein wenig in die Jahre gekommen, Von weitem sieht die Promenade schick aus, je näher man kommt, desto schäbiger wird die Eleganz. Unmittelbar am Strand herrscht aber eine Menge Leben mit Künstlern aller Art: Feuerschlucker, Maler, Akrobaten, dazu fliegende Händler mit allem möglichen Schnickschnack, Cafès, Kneipen, Souvenirläden, winzige Kunstgalerien und natürlich der Brighton Pier, in traditioneller britischer "Seaside Town"-Manier mit Automatenspielhallen zugebaut. Man muss es mal gesehen haben, aber nach einer Viertelstunde  Kakophonie aus Automatengeklingel und englischer Schlagermusik aus übersteuerten Lautsprechern hatten wir genug.


Wir haben uns lieber ein großes (ein richtig großes) Soft-Eis gekauft und sind ein Stück den Strand entlang gegangen, um einen echten englischen Sommertag zu genießen. Sonne, 17 Grad, kräftiger Wind. Eis und Seeluft waren auch eine gute Medizin gegen die Erkältung, die ich mir bei der Wasserwanderung im New Forest zugezogen hatte.



Fazit: aus organisatorischen und erkältungstechnischen Gründen ein eher ruhiger Urlaubstag. Stress hatte nur Herr Dinktoc, der stundenlang Auto fahren musste (in England setze ich mich hinter kein Steuer, das innere Umschalten auf Linksverkehr funktioniert bei mir nicht, da lasse ich es lieber ganz bleiben). Ich bin dann immer fürs Kartenlesen zuständig, was an diesem Tag recht einfach war: "wir bleiben die nächsten 30 Meilen auf der A26, weck mich einfach, wenn wir in Tonbridge sind" und zack, war ich eingeschlafen (blöde Erkältung). Dass ich angeblich so geschnarcht haben soll, dass Herr Dinktoc erst glaubte, wir hätten einen Motorschaden, ist natürlich nur eine bösartige Verleumdung seitens des garstigen Gatten.

(Fortsetzung folgt.)

Mittwoch, 4. Juli 2012

Tierischer Tampontest

Da las ich vor ein paar Tagen diesen wunderbaren Blogeintrag bei Frau Creezy und beging anschließend den Fehler, den Rechner offen stehen zu lassen. Ganz eindeutig hat Kater Leopold den Text nämlich auch gelesen und den Beschluss gefasst, seinerseits bei nächster Gelegenheit eine Tampon-Testreihe durchzuführen.

Heute morgen wurde ich zu sehr unchristlicher Stunde von einem dumpfen kawonk geweckt, gefolgt von zahlreichen knisternden, raschelnden Geräuschen und dazu begeistertem Gemaunze. Nach ein paar Sekunden Stille folgten abwechselnd ein sssst-klong und ein krrrrrp-bongggk, mehrfach wiederholt, was mich dann doch aus dem Bett trieb, um der Sache auf den Grund zu gehen.

Herr Leopold saß unschuldigen Blickes im Bad, neben sich den vom Schränkchen geworfenen Tamponkarton ("kawonk"), um sich herum ein Teil des Inhalts. Weitere Tampons hatte er, vermutlich mit dem Innenrist der rechten Pfote, in Bananenflankenmanier mit Schmackes an die Glastür gekickt ("sssst-klong") oder er hatte ein bis drei Krallen im Umhüllungscellophan versenkt, woraufhin die lästigen Dinger an Katers Krallen festhängen blieben und also durch wildes Pfotenschütteln entfernt werden mussten, durch die Luft flogen und an der Seitenwand des Katzenklos auftrafen ("krrrrrrp-bongggk"). Aufbekommen hat er die Umhüllung nicht, bei keinem einzigen Tampon. 

Der Kater hatte kein Verständnis dafür, dass ich kein Verständnis für ihn hatte, sondern im Gegenteil die Gelegenheit, einen Haufen Tampons vom Badezimmerfußboden aufzusammeln und katersicher zu verstauen, nicht mit ungetrübter Freude wahrgenommen habe. Trotz der frühen Stunde verstand ich aber plötzlich die praktische Relativitätstheorie, dass nämlich 48 Tampons relativ wenig sind, wenn man eine Packung dieser Größe bezahlt; aber relativ viel sind, wenn man sie aus allen Ecken hervorfischen muss, und das um fünf Uhr zehn.