Mittwoch, 11. Juli 2012

White Cliffs & White Garden

Tag Neun. Der Urlaub ging schon bedrohlich dem Ende entgegen, und so begannen wir den Tag mit einer Fahrt nach Dover, um mal einen Blick über den Kanal zu werfen und zu sehen, wo wir in 4 Tagen schon wieder hinfahren würden.


Leider war es sehr diesig, so dass Frankreich am Horizont nur zu ahnen war: der etwas dunklere Strich zwischen meergrau und himmelgrau.

Auch die berühmten White Cliffs of Dover haben wir nicht wirklich gesehen - das Problem ist, dass man die eigentlich nur vom Meer aus so richtig vor die Augen bekommt. An einem einzigen Punkt von der Zufahrtsstraße nach Dover rein kann man die Klippen gut sehen, aber genau da kann man natürlich nicht anhalten, ohne einen Stau in halb Südengland zu verursachen. Diese Straße ist nämlich auch der einzige Zubringer zum Fährhafen Dover.



Von Dover Castle aus konnte man immerhin den Steilabfall und den Beginn der Kliffs sehen. Diese Burg sei allen historisch Interessierten ans Herz gelegt - 2000 Jahre Geschichte sind hier versammelt. Dieser Turm ist eines der wenigen noch erhaltenen Bauwerke Englands aus der Römerzeit. Der größte Teil der Festung, so wie sie heute zu sehen ist, stammt aus dem Mittelalter, aus Zeiten des Hundertjährigen Kriegs zwischen England und Frankreich. Aber selbst im Zweiten Weltkrieg wurde Dover Castle noch strategisch genutzt. In die Felsen unterhalb der Burg sind lange Gänge getrieben, die als Bunker, Ausguck und Nachrichtenzentrale dienten.


Beim Wegfahren aus Dover amüsierten wir uns über die großen Schilder in englisch-französisch-spanisch-deutsch-italienisch: LINKS FAHREN! Frisch von der Fähre haben viele offensichtlich (und verständlicherweise) damit Schwierigkeiten.

Den Nachmittag verbrachten wir in Sissinghurst Castle. Von dem Ursprungsgebäude aus dem 16. Jh. ist nur wenig übrig, aber nach Sissinghurst fährt man ja auch wegen des Gartens. Eigentlich sind es mehrere Gärten, die ineinander übergehen, abgegrenzt durch Hecken und Rabatten. 


Berühmt ist der weiße Garten, in dem - Sie erraten es - nur weißblühende Blumen und Sträucher stehen. Es gibt Gartenenthusiasten aus Japan und Australien, die eigens wegen dieses Gartens nach England reisen. Vielleicht hatten wir die falsche Jahreszeit erwischt, aber gerade den White Garden fand ich jetzt nicht sooo toll.


Hingegen konnte ich mich kaum von den Beeten mit den vielen verschiedenen Mohnblumen trennen. Besonders diese zartrosa Art hatte es mir angetan. Herr Dinktoc konnte mich nur mit Mühe davon abhalten, eine Staude auszugraben und mitzunehmen. Nix darf man.


Abends fanden wir noch ein schönes Beispiel für das besondere Verhältnis, das Engländer zu ihrer Geschichte haben: im Dorfpub "The King's Arms" hängt an der Wand, ordentlich hinter Glas, eine handschriftlich ausgeführte Liste aller Wirte seit Bau des Pubs anno 1602, zusammen mit den Jahreszahlen, von wann bis wann der jeweilige Landlord zugange war. Und dahinter, in einer weiteren Spalte, waren - auch mit Jahreszahlen - die zur Zeit des jeweiligen Wirts herrschenden Könige und Königinnen aufgeführt, angefangen bei Elisabeth I. Der Zettel selber ist etwa 120 Jahre alt; damals, zu Queen Victorias Zeiten, hat jemand in Tinte die Historie vom frühen 17. bis ins späte 19. Jh. notiert. Später wurden dann die aktuellen Wirte, Könige und Jahreszahlen ergänzt, in wechselnden Handschriften, erst auch mit Tinte, später mit Kugelschreiber. Wenn ich solch schräge Dinger sehe, weiß ich, warum ich so gerne in England bin.


(Fortsetzung folgt.)

5 Kommentare:

  1. Da empfehl ich die Floriade in Venlo.
    Nicht so weit weg, ohne Linksverkehr, und mit sehr prachtvollen Gartengestaltungen und Blumenarrangements.
    War gerade Montag noch da.

    Wenn noch ein paar Cent in der Reisekasse sind - los!

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  2. Das Pub in Offham war echt nicht schlecht. Auch das der Wirt gar nicht so genau weiß welches Bier im nächsten Fass und deswegen eine Tafel hat auf der steht welche Sorte als nächstes angezapft wird. Alles lokale Sorten der örtlichen Brauereien in Kent. Natürlich hat er auch die Standards wie FOSTERS, GUINESS und Cider im Angebot, aber das kann ich ja auch daheim in der Kneipe kriegen. Lieber die leckeren Ales testen.

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  3. Dover Castle, die Bunker/ Tunnelanlage unter dem Castle wurden schon im 18. Jhdt. angelegt und immer weiter ausgebaut. Im 2. Weltkrieg hatte Churchill dort die Kommandozentrale für die Operation Dynamo zur Evakuierung von Dünkirchen eigerichtet. Fast 400 000 Menschen wurden damals über den Kanal nach England unter Beschuß evakuiert. Sehr beeindruckender Besuch dort in der Anlage,empfehlenswert.

    Besichtigungstour / Führung gemeinsam mit merry old England, wo der ein oder andere Mitbesucher sicher noch eigene lebhafte Erinnerungen an diese Zeit hatte. Interessant.

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  4. Mit dem Linksverkehr auf den Britischen Inseln habe ich die Erfahrung gemacht, dass man sich in ganz kurzer Zeit daran gewöhnt. Bin früher als Fernfahrer häufig die England/Irland-Route gefahren, und habe mit Kollegen gesprochen denen es genauso ergeht: viel länger braucht es interessanterweise nämlich, sich bei der Rückkehr auf den Kontinent wieder an den Rechtsverkehr ZURÜCK zu gewöhnen. Und jedesmal wenn man in Oostende oder Calais von der Fähre runterkommt, möchte man in die ersten zwei, drei Kreisverkehre automatisch nach links reinfahren und kommt erst im letzten Moment drauf: Uups, falsche Richtung! Schon mehrmals haben altgediente routinierte Kollegen von mir im ersten Kreisverkehr auf dem Festland einen Verkehrsstau verursacht, weil sie grad von England herüberkommen und gewohnheitsmäßig nach links reinfahren wollten.

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  5. Das ist ja interessant. Aus eigener Fahrpraxis kenne ich das nicht, im Linksverkehr trau ich mich nicht ans Steuer, weil ich selbst auf dem Beifahrersitz gedanklich immer nach rechts ausweiche. Der Gatte schaltet problemlos zwischen rechts und links hin und her. Er meint, es hilft, in Linksverkehrsländern einen Rechtslenker-Wagen zu haben - er denkt dann automatisch andersherum.

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