Herr Dinktoc und ich arbeiten in der gleichen Firma. Das hat Vor- und Nachteile. Der Vorteil ist, dass ich meist weiß, was Herr D. treibt, wenn er mal wieder in der Weltgeschichte unterwegs ist. Der Nachteil ist, dass die Kollegen wissen, dass ich das weiß, und bei mir anrufen, wenn sie dringend was von Herrn D. wollen.
Gestern also meldete sich eines unserer Büros in Balkanistan: der Kunde benötige allerdringendst die Unterschrift Herrn Dinktocs auf einem superwichtigen Dokument. Und niemand anderer kann unterschreiben, weil Herr D. der von Kunde, Geldgeber und vermutlich auch vom lieben Gott persönlich anerkannte und bestätigte Spezialexperte in diesem Projekt ist. Und es wird selbstverständlich die Originalunterschrift benötigt. Leider befindet sich aber Herr D. noch auf Dienstreise im Vorderen Orient und kommt erst heute am späten Abend nach Hause. Darob ward beim Kunden ein Heulen und Zähneknirschen und der baldige Untergang des Projekts prophezeit. Was also tun?
Zum Glück gehört Weltrettung zu meinen Kernkompetenzen. Es fiel mir wieder ein, dass ein Kollege vom Balkanistaner Büro zur Zeit auf einer Schulung ist und Samstag, also morgen, von Frankfurt zurück nach Balkanistan fliegen würde. Er wurde kontaktiert und eine Übergabe am Frankfurter Flughafen vereinbart.
Der Kunde wurde genötigt, mir die zu unterschreibenden Dokumente per E-mail zu schicken, auf dass ich sie hier im Büro ausdrucke und sodann nachher mit nach Hause nehme. Außerdem, nach telefonischer Konsultation mit Herrn Dinktoc über den Aufbewahrungsort, begab ich mich in sein Büro, um die Insignien seiner Herrlichkeit und seines Spezialistentums aus der Schreibtischschublade zu entnehmen: die Stempel. Ohne die richtigen Stempel (3 Stück! Drei!) gelten auch die speziellsten Spezialexpertenunterschriften nichts.
Auch die Stempel werde ich mit nach Hause nehmen, auf dass Herr Dinktoc am frühen Samstagmorgen in hoffentlich ausgeschlafenem Zustand die allerhöchstwichtigen Dokumente unterschreiben und stempeln kann. Samstagnachmittag fahren wir dann die 20 km zum Flughafen, um dem Kollegen die Unterlagen in die Hand zu drücken, damit der Kunde sie schließlich Samstagabend in Balkanistan auf dem Tisch hat.
Unternehmen Weltrettung mal wieder erfolgreich bewältigt. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muss mich kratzen gehen: die Engelsflügelansatzstellen jucken nämlich.